Dr. Jan-Gerd Kresken over DCM

Dr. Jan-Gerd Kresken over DCM

zondag, 07 juli 2019  

Gesundheit & Ernährung
HERZENSSACHE

Dr. Jan-Gerd Kresken gibt Auskunft über Herzerkrankungen bei den Gebrauchshunderassen.
Dem Mann liegen Hunde am Herzen. Ich treffe Dr. Kresken, einen der führenden Experten im Fachbereich Kardiologie, in der Tierklinik Duisburg Kaiserberg, der er als Klinikleiter vorsteht. Darüber hinaus ist er Vorsitzender des Collegium Cardiologicum e.V. und sitzt im wissenschaftlichen Beirat des VDH. Er beantwortet bereitwillig meine Fragen. Dabei spricht er ruhig und sachlich, aber seine Bemerkungen sind an entsprechender Stelle mit Witz und Ironie gewürzt.
Warum hat das Herz es Ihnen so angetan?
Dr. Kresken: Das hat sich zufällig ergeben. Weil ich zu einer Zeit, als es den Ultraschall in Deutschland noch gar nicht gab, die Möglichkeit hatte, eines der ersten Geräte in der Doktorarbeit zu testen. Das war damals absolutes Neuland und da hatte ich vor 28 Jahren das Glück eine Technologie von Anfang an mitzubekommen. In Deutschland gab es weder einen Ultraschallkurs, noch eine Ausbildung an der Universität. Wir waren also damals echte Pioniere. Man konnte das Herz plötzlich schlagen sehen, wir hatten ja bis dato nur Röntgen und EKG. Es war eine ganz fantastische Möglichkeit, ein bildgebendes Verfahren zu nutzen, was einem nicht nur die Organform und Größe zeigt, sondern auch die Funktion.
Die Neurologen wissen nicht, was wir denken, die Orthopäden röntgen, aber die wissen nicht, warum man humpelt, aber wir sehen im Bild, ob die Pumpe funktioniert und können damit eine unglaubliche Aussage über das Organ selber treffen. Ob es Klappenfehler hat oder der Muskel kaputt ist. Wir können aber auch sehen, wie schwer es ist und ob das Tier, auch wenn es uns nichts sagen kann, darunter schon leidet oder in Zukunft leiden wird. Und das ist einzigartig. Das geht weder beim Darm, noch bei der Niere, noch bei den Knochen. Von daher war das immer schon etwas Besonderes.
Ist es richtig, dass es erworbene, ererbte und angeborene Herzerkrankungen gibt?
Dr. Kresken: Ja, genau. Die Begriffe erworben, angeboren und erblich verstehen auch viele Tierärzte falsch. Es gibt zwei gegensätzliche Begriffe. Entweder ist es erblich oder nicht erblich. Das ist ja noch logisch. Also erblich sind meistens krumme Zähne und abstehende Ohren, nicht erblich ist ein Autounfall. Die anderen Begriffe beziehen sich auf den Zeitpunkt, an dem die Krankheit auftritt. Aber wenn ich sage, eine Krankheit ist erworben, wie zum Beispiel eine Herzmuskelerkrankung bei den großen Hunden, dann schließt das nicht aus, dass sie nicht trotzdem erblich ist. Und das ist genau der Gedankensprung, den jeder einmal machen muss, um zu verstehen, dass eine erworbene Herzerkrankung nicht gleichbedeutend mit nicht erblich ist. Und eine erbliche ist nicht gleichbedeutend mit einer angeborenen.
Was sind die wichtigsten Herzerkrankungen bei Gebrauchshunderassen?
Dr. Kresken: Die kann man eigentlich am Alter festmachen. Wir haben die angeborenen Erkrankungen, die bei den Welpen auftauchen, also bei den Gebrauchshunden, die noch nicht im Gebrauch sind. Und da natürlich schon sehr krass sein können. Aber das häufigste Auftreten von Herzerkrankungen ist im letzten Altersdrittel. Also wenn der Hund alt wird, am Ende seines Gebrauches. Die meisten Herzerkrankungen sind Verschleißerkrankungen, der Herzklappen oder des Herzmuskels, und die treten, so sagen wir, immer im letzten Altersdrittel auf.
Alter Spruch: vier Jahre junger Hund, vier Jahre guter Hund, vier Jahre alter Hund!
Das trifft ja so für mittelgroße Hunde zu, wenn man die Alterserwartung sieht. Der alte Hund ist am häufigsten betroffen. Dann gibt es noch fürchterliche Krankheiten, die mitten im Gebrauch kommen. Der zwei Jahre alte Rottweiler, Labrador oder Dobermann, der eine Herzmuskelkrankheit bekommen kann. Die ist dann erworben, sprich, die kommt erst nach der Geburt, hat aber eine Erblichkeit.
Kann man irgendetwas als Prophylaxe tun, um so etwas zu verhindern?
Dr. Kresken: Beim einzelnen Hund, also in der Lebenslinie des Hundes – nein! Wenn eine Erkrankung kommt, dann ist sie vorprogrammiert. Das heißt, der Hund muss schon eine Veranlagung mitbringen, dass sein Herzmuskel oder seine Herzklappe früher kaputt geht. Es gibt Ausnahmen, aber das Gros der Herzerkrankungen ist genetisch vorbestimmt. Die Verantwortung zur Vorbeugung liegt beim Züchter. Die müssen sicherstellen, dass die Elterntiere den Grundsätzen des Tierkaufrechtes und des Tierschutzgesetzes entsprechen. Als verantwortlicher Züchter darf man nur mit Hunden züchten, die nachweislich gesund sind. Das ist die Prophylaxe! Die Vorsorge ist nicht am Individuum, sondern züchterisch, linientechnisch. Wenn man jetzt das Einzeltier nimmt, dann ist es selbstverständlich so, je früher wir den Hund behandeln, umso älter wird er. DCM, also eine Dilatative Cardiomyopathie, ist eine Krankheit, die schon bei zwei-, dreijährigen Hunden auftreten kann. Und da kann man, durch die Gabe von Medikamenten, die die Rhythmusstörung beseitigen, meistens etliche Jahre rausholen.
Was bedeutet Dilatative Cardiomyopathie (DCM)?
Dr. Kresken: Dilatation ist das lateinische Wort für eine Erweiterung. Im Deutschen sagt man auch, das Herz ist „ausgeleiert“. Darunter verstehen wir ein Herz, das vergrößert ist und in der Funktion schwächer wird. Cardiomyopathie heißt übersetzt Herzmuskelkrankheit. Das steckt hinter der DCM.
Das hört sich hochtrabend an, ist aber eigentlich ein banales Wort für ausgeleierte Pumpe. Diese Krankheit ist ganz einfach zu diagnostizieren, weil sie mit einem erhöhten Herzdurchmesser und einer reduzierten Pumpleistung einhergeht. Von daher ist die übliche Diagnostik kein Hexenwerk.
Wie häufig tritt diese Erkrankung bei Gebrauchshunderassen auf?
Dr. Kresken: Das kann man pauschal nicht beantworten. Vermutlich sehr selten. Es gibt Gebrauchshunderasse – Australian Shepherds, Border Collies, die bekommen diese Erkrankung nicht. Und auf der anderen Seite gibt es Gebrauchshunderassen, wie den Dobermann, da tritt die Krankheit häufig auf. Mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50%, so wie in der Literatur zu lesen ist.
Also kann man das nicht pauschalisieren. Man kann nur sagen, es gibt Rassen, die haben ein extrem hohes Risiko, diese Krankheit zu bekommen. Andere wiederum nicht. Das steht absolut fest.
Da einige Rassen die DCM bekommen und andere nicht, ist das ein deutlicher Hinweis auf die Ursache: Das absolut wahrscheinlichste ist eine genetische Ursache. Es wird immer wieder von Leuten, die eine erbliche Ursache ausblenden wollen, angemerkt, die Hunde werden eventuell nur falsch gefüttert.
Das würde ja im Umkehrschluss heißen, dass die Besitzer von Dobermännern zu blöd sind, richtig zu füttern. Und die, die einen Border Collie haben, alle clever sind. So einfach kann man sich das nicht machen. Manche Zuchtverantwortliche glauben sogar, dass die Benutzung von Elektrohalsbändern auf dem Hundeplatz eine DCM auslöst.